Die Entwicklungen der letzten Jahre im Energiesektor zeigten, dass die Digitalisierung eines der zentralen Herausforderungen für diesen Bereich darstellt. Durch neue intelligente Technologien wie Smart Grids und IoT-Geräte werden immer mehr Informationen nahezu in Echtzeit gesammelt, welche nur durch Digitalisierung bewältigt werden können. Diese bereitgestellten Informationen stellen für Stromkunden, Strommarkteilnehmer und Netzbetreiber systemrelevante Daten dar und könnten dabei helfen, die Effizienz der Energiemärkte und -netze zu erhöhen. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass diese Daten manipulationssicher und vertrauensvoll zur Verfügung stehen sowie in Echtzeit verarbeitet werden können. Hier kann die Blockchain-Technologie helfen, die enorme Informationsflut automatisiert zu bewältigen und die Integrität und Vertrauenswürdigkeit der Daten zu gewährleisten. Am Fraunhofer FOKUS Institut wird daher in Zusammenarbeit mit industriellen Partnern untersucht, welche konkrete Anwendungsszenarien und Geschäftsmodelle sich für den Einsatz der Blockchain im Energiesektor ergeben. Mögliche Anwendungsfelder betreffen dabei (siehe Abbildung 1):
- Peer-to-Peer Energiehandel
- Außerbörslicher und dezentraler Energiehandel
- Handel und Bereitstellung von Systemdienstleistungen (Netzkapazitäten, Engpassmanagement)
- Elektromobilität
- Prozessautomatisierung von Dienstleistungen (Abrechnung, Lieferantenwechsel, Wartung)
- Zertifizierung von Herkunftsnachweisen
Was ist die Blockchain?
Technisch gesehen ist eine Blockchain als eine stetig erweiterbare Liste von Blöcken zu verstehen, welche miteinander verkettet und durch kryptographische Verfahren vor Veränderungen gesichert sind. Dabei enthält jeder Block eine Liste von Transaktionen, welche den Transfer von digitalen Assets zwischen Nutzern beschreiben können. Durch das Konzept der Smart Contracts ist jedoch auch möglich, jede beliebige Berechnung als Transaktion abzubilden. Das Rückgrat einer Blockchain bildet dabei ein hochverteiltes peer-to-peer Netzwerkes, in dem jeder Teilnehmer alle Transaktionen verifiziert und eine komplette Kopie der Blockchain bereithält. Die technischen Vorteile dieser Technologie prädestinieren sie für den Einsatz im Energiesektor:
- Entfall einer zentralen Instanz zur Speicherung von Daten
- Vertrauen in zentrale Instanzen wird durch verteiltes Vertrauen ersetzt
- Unveränderbarkeit der Daten ist durch kryptographische Verfahren gewährleistet
- Offene, nachvollziehbare und verteilte Speicherung von Daten
- Möglichkeit der Automatisierung von Prozessen durch Smart Contracts
Was versteht man unter einem Smart Contract?
Im Blockchain-Kontext sind Smart Contracts als selbstausführende Skripte bzw. Programme zu verstehen, welche in der Blockchain bereitgestellt und durch spezielle Blockchain-Transaktionen ausgeführt werden. Dabei erlauben Smart Contracts das Formalisieren beliebiger Berechnungen und Business-Logik und werden typischerweise in einer eigens bereitgestellten Programmiersprache entwickelt.
Laufende Projekte am Fraunhofer FOKUS Institut
In Zusammenarbeit mit industriellen Partnern werden bei Fraunhofer FOKUS aktuell verschiedene Pilotprojekte durchgeführt und Anwendungsszenarien entwickelt, um den Einsatz der Blockchain-Technologie im Energiesektor zu evaluieren.
Blockchain-basierter Flexibilitätenhandel
Im Rahmen des vom BMWi und der SINTEG unterstützten WindNode Projekts wurde von Fraunhofer FOKUS eine blockchain-basierte Plattform zur Umsetzung eines zukunftsweisenden Flexibilitätenhandel entwickelt. Ziel der entworfenen Plattform ist es, die Integration lokaler und erneuerbaren Energiequellen in das lokale Energienetz zu erleichtern. Gleichzeitig sollen die durch nachhaltige und erneuerbare Energiequellen kurzfristig zur Verfügung stehenden Flexibilitäten erstmalig zum Erhalt der Netzstabilität eingesetzt werden können.
Blockchain-basierter Peer-to-Peer Energiehandel
Im Kontext des durch das BMWi geförderten WindNODE Projekts wurde bei Fraunhofer FOKUS Instituts eine innovative und effiziente Plattform für den Handel lokal erzeugter Energie entwickelt. Die blockchain-basierte Plattform ermöglicht es Besitzern von lokalen und erneuerbaren Energiequellen, überschüssig erzeugte Energie direkt und ohne Mittelsmänner an Verbraucher in ihrer Nachbarschaft zu günstigen Preisen zu vermarkten. Da dies für beide Handelspartner monetäre Vorteile darstellt, kann die vorgeschlagene Handelsplattform den Einsatz und die Akquise von nachhaltigen und erneuerbaren Energiequellen fördern und so einen Beitrag zur Energiewende leisten. Durch die ökonomischen sowie ökologischen Vorteile könnte die Plattform somit richtungsweisend für die Integration von Smart Grids in den Smart Cities der Zukunft sein.
Blockchain Testing Lab
Das Blockchain Testing Lab des Fraunhofer FOKUS Geschäftsbereich SQC bietet die Möglichkeit, Blockchain-Technologien und deren Anwendungsfelder detailliert und praxisnah untersuchen, evaluieren und einsetzen zu können. In dem bereitgestellten Labor werden dabei verschiedene Implementierungen der Blockchain als eigenständige peer-to-peer Netzwerke zur Verfügung gestellt. Diese sind als Sandbox-Umgebungen zu verstehen und bieten einen idealen Playground zum Testen und Evaluieren von innovativen Blockchain-Anwendungen aus dem industriellen und akademischen Umfeld. Hierdurch bietet das Blockchain Testing Lab das Potential zur Evaluierung und Zertifizierung dieser neuartigen Applikationen.
Weiterhin ermöglicht der Einsatz verschiedener Blockchain-Technologien die Gelegenheit, die Grundlagen der Blockchain und ihrer vielfältigen Variationen genauer zu verstehen und bis auf die Netzwerk- und Protokollebene untersuchen zu können. Dies ermöglicht, je nach Anwendungsfall die am besten geeignetste Blockchain-Variation evaluieren und auswählen zu können.